Preisträger 2023
Freiräume und Eigenverantwortung für Kinder
Sportverein Triebel e. V. (Vogtland) in der Kategorie Miteinander stärken – Land gestalten (Demokratie)
»Mir geht es darum, dass Kinder ihre eigenen Ideen umsetzen und Verantwortung dafür übernehmen können«, erklärt Sandy Schwabe, Vorsitzende des Sportvereins Triebel e. V. Im Jahr 2009 rief sie ihr erstes Kindersport-Angebot ins Leben. »Dabei konnten Kinder zum Beispiel selbstständig eine Aufwärmübung vorbereiten oder ein eigenes Zirkeltraining anleiten. Mir war es wichtig, einen wertschätzenden und kindzentrierten Ansatz in die Vereinsarbeit einzubringen«, erinnert sich die ausgebildete Erzieherin.
2017 zeigte eine Umfrage in Triebel und Umgebung, dass es ein großes Interesse an einem Treffpunkt für Kinder gibt. Daraufhin initiierte Schwabe mit ehrenamtlichen Helfern den offenen Kinder- und Jugendtreff »Villa JuKi«. Die Meinung der Kinder war im Treffpunkt von Anfang an gefragt, zum Beispiel bei der Raumgestaltung oder bei bestimmten Anschaffungen. Inzwischen beraten sich die 6- bis 14-Jährigen selbständig und treffen Entscheidungen. Die Arbeit wird von Jugendlichen ab 16 Jahren sowie von drei ausgebildeten pädagogischen Fachkräften begleitet und unterstützt.
Rund 120 Kinder und Jugendliche nutzen die Angebote des Vereins. Sie bekommen Freiräume für ihre Ideen, planen eigene Aktionen und setzen diese unter Aufsicht um: vom Backen, Basteln, verschiedenen Workshops über Ausflüge bis hin zur Planung eines neuen Spielplatzes. »Ich fände es toll, wenn in den umliegenden Gemeinden ähnliche Angebote entstehen. Wenn wir Kindern die Möglichkeit geben, gemeinsam etwas zu erschaffen, dann macht das unsere Dörfer insgesamt zu lebenswerten Orten.«
Die ehrenamtlich Engagierten im SV Triebel e. V. schaffen den Kindern einen Raum, sich zu beteiligen, sich zu äußern und gehört zu werden. Dies stärkt nicht nur den Zusammenhalt der Gemeinschaft, es motiviert auch andere, sich einzubringen, ehrenamtlich tätig zu werden. Durch innovative Ideen entstehen neue Projekte, die auch in die Öffentlichkeit getragen werden.
Udo Seeger – Bürgermeister der Gemeinde Triebel / Vogtland
Erste Hilfe für die Seele
Kriseninterventionsteam Leipzig e. V. in der Kategorie Menschen helfen – Gemeinsinn stiften (Menschen)
Wo die Kapazitäten von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei enden, fängt die Arbeit des Kriseninterventionsteam Leipzig e. V. (KIT) an. Es wird gerufen, wenn sich Menschen in einer akuten Krisensituation befinden, und leistet Beistand in den ersten Stunden nach einem traumatischen Erlebnis. »Wir sind zur Stelle, wenn ein nahestehender Mensch verstirbt, sei es in der Häuslichkeit, nach einem Verkehrsunfall, einem Suizid, einem Brand oder nach anderen Ereignissen, die für Angehörige oder Betroffene potenziell traumatisierend sind«, erklärt Tobias Hönig, Vorstandsvorsitzender des KIT Leipzig.
Die unmittelbare psychosoziale Betreuung soll helfen, die Belastung der Betroffenen zu verringern und Folgeerkrankungen zu vermeiden. »Wir bleiben so lange wie nötig bei den Menschen, egal ob ein Einsatz zwei oder fünf Stunden dauert. Daneben ist es unser großes Anliegen, Nachbetreuungsangebote zu vermitteln, damit sich die Betroffenen auch längerfristig Hilfe suchen können«, so Hönig weiter.
Etwa 30 Ehrenamtliche arbeiten derzeit aktiv im Leipziger KIT. Damit die Kriseninterventionsberaterinnen und -berater mit emotional herausfordernden Situationen umgehen und Betroffenen mit der gebotenen Sensibilität begegnen können, absolvieren sie eine Ausbildung nach bundesweiten Standards. »Bei uns kann jeder mitmachen, der Menschen in schwierigen Situationen helfen möchte. Unser Team ist sehr vielfältig und wir freuen uns, auch in Zukunft Engagierte für dieses wichtige Ehrenamt begeistern zu können«, ergänzt Heike Stellmacher, stellvertretende Vorsitzende des KIT Leipzig.
Kompetent und aufopferungsvoll leisten die KITler in Leipzig ihr sensibles und unverzichtbares gesellschaftliches Engagement, welches schon unzähligen Leipzigerinnen und Leipzigern in akuten und extremen Belastungssituationen geholfen und einen Weg aus scheinbar ausweglosen Situationen aufgezeigt hat.
(Stadt Leipzig)
Ein Ort der Begegnung
Henry Stuff in der Kategorie Traditionen pflegen – Geschichte bewahren (Heimat)
Jeder im Umkreis kennt sie, die »Alte Lotte« in Eckartsberg bei Zittau. Nach jahrzehntelangem Leerstand drohte das zwischen 1760 und 1780 errichtete Fachwerkhaus abgerissen zu werden, bis sich der Förder- und Historikverein der Feuerwehr Eckartsberg/Radgendorf e. V. 2018 dem Schutz und der Sanierung des Gebäudes und seiner angrenzenden Scheune angenommen hat.
Henry Stuff ist Vorsitzender des Vereins und treibende Kraft hinter dem Projekt »Alte Lotte – neue Ideen«. Gemeinsam mit den Vereinsmitgliedern und Unterstützern kümmert er sich um den Erhalt eines der ältesten Gebäude in der Gemeinde. »Mit der ›Alten Lotte‹ wollen wir ein Stück Geschichte bewahren und einen Begegnungsort für Jung und Alt schaffen«, sagt er.
Seinen Namen verdankt das denkmalträchtige Fachwerkhaus der Kohlehändlerin und ältesten Berufskraftfahrerin der DDR: Charlotte Liebig. »Zum Bezahlen der Kohlen mussten die Leute früher zu Charlotte gehen. Ich erinnere mich noch, dass mich meine Eltern oft mitgenommen haben. Für mich hatte das Haus immer etwas Mystisches. Später dachte ich mir: Die Alte Lotte machen wir irgendwann noch mal hübsch«, erzählt Stuff weiter.
Durch die umfassende Sanierung können zukünftig verschiedene Veranstaltungsformate und Workshops vom Handwerk bis hin zu demokratischen Beteiligungsprozessen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene durchgeführt werden. Eine Ferienwohnung im Dachgeschoss des Fachwerkhauses soll die Geschichte der »Alten Lotte« auch für Touristen erfahrbar machen und langfristig die Instandhaltung des Grundstücks finanzieren.
Das Projekt ist ein Paradebeispiel für den Erhalt historischer Bausubstanz im Zusammenspiel mit zukunftsfähigen Nutzungskonzepten. Hinter einem solchen Projekt stehen engagierte Menschen und oft eine treibende Kraft. Dieser unermüdliche Mensch ist Henry Stuff, der als Anerkennung für seine Beharrlichkeit, seine positive Grundeinstellung und für das unglaubliche Durchhaltevermögen diesen Preis ganz sicher verdient hat.
(Markus Hallmann – Bürgermeister der Gemeinde Mittelherwigsdorf)
Blühendes Wunder: Gemeinschaftsprojekt Wildhecke
Sabine Kühne (Lohmen) in der Kategorie Schöpfung bewahren – Natur schützen (Umwelt)
»Aus einem einzelnen Regentropfen kann am Ende ein großer Teich werden. Aus unserem Regentropfen ist eine wunderschöne Wildhecke geworden«, fasst Sabine Kühne ihr Herzensprojekt zusammen. Sie organisierte eine riesige Aufforstungsaktion: Gemeinsam mit 80 freiwilligen Helfern wurde am 19. November 2022 auf einem halben Hektar Land zwischen Lohmen und Wehlen eine Landschaftshecke gepflanzt.
Eine Wildhecke speichert effektiv Kohlendioxid in ihren Wurzelstöcken. Sie schützt vor Winderosion und Austrocknung. Sabin Kühne betont ihren Wert als Lebensraum für Vögel und Nützlinge wie Schwebfliegen, Florfliegen und Marienkäfer. Die Hecke dient als Nahrungsquelle und Überwinterungsplatz für Vögel, Insekten und andere Tiere. Die Idee dazu entstand bei einem Spaziergang durch ihre Heimatgemeinde Lohmen.
Heute engagiert sich die frühere Agrochemikerin für den Pflanzenschutz. In ihrer Kirchgemeinde hat sie deshalb den Umweltverbund mitgegründet und die Gruppe »Pachtverträge und Pflanzungen« ins Leben gerufen. Unterstützung für das Heckenprojekt kam unter anderem vom Landschaftspflegeverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Von der Idee bis zum Pflanztag vergingen fast zwei Jahre. »Dass ich so einen langen Atem brauchen werden, habe ich am Anfang nicht erwartet«, erklärt Frau Kühne. Zunächst musste Land für die Hecke gefunden werden. Der Kirchenvorstand der Philippusgemeinde Lohmen stimmte ihrer Idee zu, die Wildhecke auf Kirchenland anzupflanzen. Es folgten Behördengänge, Genehmigungsverfahren, die Erstellung eines Pflanzplanes bis hin zur Auswahl der Baumschule und der Organisation des Pflanztages. Doch trotz aller Herausforderungen zieren nun insgesamt 1.710 Bäume und Sträucher den Wegstreifen von der Kastanienallee zum Wehlener Kohlberg. »Unsere Wildhecke ist ein Werk vieler Menschen, das nur gemeinsam entstehen konnte.«
Die gesamte Organisation des Projektes wurde hauptsächlich und ehrenamtlich durch Sabine Kühne getragen – von der Einholdung von Fördermitteln über die Ansprache des Kirchenverstandes bis zur Organisation der Planzung mit vielen freiwilligen Helfern. Sie hat gezeigt, dass das Engagement Einzelner bildlich unsere Welt gestalten kann.
(Silke Großmann – Bürgermeisterin der Gemeinde Lohmen)
Medizinische Hilfseinsätze in Tansania
Sabine Wetter vom Interplast Germany e. V., Sektion Sachsen (Dresden) in der Kategorie Global denken – lokal handeln (Welt)
Sabine Wetter hat einen klaren Antrieb: »Ich möchte Menschen helfen, die sonst keine Unterstützung erhalten würden.« Mehrmals im Jahr nimmt die Anästhesistin an medizinischen Einsätzen im Süden Tansanias teil. Seit 2009 engagiert sie sich bei den Hilfseinsätzen des Vereins Interplast Germany, der sich weltweit um die kostenlose chirurgische Versorgung von Menschen in Entwicklungsländern kümmert.
Seit 2015 leitet die Dresdnerin die Sektion Sachsen des Vereins. An den über 20 Einsätzen in den vergangenen acht Jahren haben rund 30 Mitglieder teilgenommen, viele davon mehrfach. Das zumeist sechsköpfige Einsatzteam deckt die Plastische Chirurgie, Mund-, Kiefer und Gesichts-Chirurgie, Traumatologie, Anästhesie und die OP- und Anästhesiepflege ab.
In den Hospitälern in Litembo und Ilembula behandeln und operieren sie vor allem Patienten mit schweren Verbrennungen, Knochenbrüchen, Tumoren und Fehlbildungen wie Klumpfüßen. Außerdem unterstützen sie die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal vor Ort. Für die Hilfsaktionen in Tansania nehmen die Ehrenamtlichen Urlaub und bezahlen oft ihre Flugtickets selbst.
Sabine Wetter kümmert sich auch um die Organisation der Auslandseinsätze. Sie übernimmt die aufwändige Anmeldung bei den Behörden in Tansania, stellt das Team zusammen und koordiniert die Beschaffung von Material und Medikamenten. Zwei Mal im Jahr reist sie mit nach Tansania. Sie erinnert sich an einen kleinen Jungen mit schweren Verbrennungen.
»Ein Jahr nach der Behandlung kam er vorbei und berichtete mit strahlenden Augen, wie gut es ihm gehe. In seiner Schulklasse sei er inzwischen sogar der Zweitbeste«, erzählt Sabine Wetter. »Die Lebensfreude und der Optimismus der Menschen in Tansania beeindrucken mich und machen dieses Ehrenamt zu etwas ganz Besonderem.«
Sabine Wetter hält unermüdlich Kontakt zu den Einsatzorten und den dortigen Vertretern. Sie zeichnet sich durch einen sehr verantwortungsvollen und liebevollen Umgang mit den Patienten aus, insbesondere mit Kindern. Sabine Wetter widmet der Sache über alle Maße ihre Zeit, Kraft und Liebe.
(Dr. Yasmin Sieber – Amt für Gesundheit und Prävention, Kinder- und Jugendärztlicher Dienst Dresden-Süd)